Sich um die eigene Gesundheit zu kümmern ist ein häufiger Wunsch, nachdem unsere Teilnehmenden in ihrer neuen Wohnung angekommen sind. Dazu gehört vor allem der Besuch von Haus- und Zahnärzt*innen. Je nach Beschwerden sind aber möglicherweise auch Termine bei Fachärzt*innen notwendig. Nach langer Zeit der Obdachlosigkeit fällt den meisten Teilnehmenden der Besuch einer Arztpraxis nicht leicht. Viele haben Hemmungen und Ängste, weshalb wir den Weg ins Gesundheitssystem mit viel Verständnis und ohne Zwang begleiten.
Neben körperlichen Problemen ist oftmals auch die Psyche unserer Teilnehmenden stark belastet. Manchmal – vor allem wenn es sich um Ereignisse in der Kindheit handelt – hat die Vergangenheit besonders tiefe Spuren hinterlassen. Laut einer Metastudie von 2017 leiden rund 77 Prozent aller Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, unter psychischen Erkrankungen. Damit ist der Anteil 3,8-mal höher als in der Durchschnittsbevölkerung. Oft sind sie eine Folge erlittener Traumata. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob die traumatischen Ereignisse vor oder während der Obdachlosigkeit eingetreten sind.
Wenn die Psyche leidet, fällt es schwer, die alltäglichen Anforderungen des Lebens zu meistern. Wichtige Termine wahrnehmen, rechtzeitig Post beantworten, Überweisungen tätigen, für sich selbst sorgen: All das wird zu einer großen Belastung. Da reicht es nicht, vernünftig oder diszipliniert sein zu wollen. Vielmehr braucht es die Zeit und den Raum, um sich tiefgreifend erholen zu können. Oder anders gesagt: Es braucht einen Prozess der Recovery. Dabei werden die Teilnehmenden von unserem gesamten Team unterstützt.
Immer mit dem Ziel, ein glückliches und zufriedenes Leben mit den eigenen Symptomen führen zu können. Diagnosen und professionelle Unterstützung durch Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen spielen eine Rolle, wenn die Betroffenen sich diese wünschen. Im Fokus unserer Arbeit steht stattdessen die traumasensible Begleitung auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben.